Ein geplatzter Deal

Die Stille war so erdrückend, dass das Surren der unzähligen, winzigen Zahnrädern beinahe ohrenbetäubend laut war. Das Klacken wenn die kleinen Räder ineinander griffen ließ den Mann leicht erschüttern. Dennoch wagte er es nicht sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.  Ein Schweißtropfen rann über seine Stirn, doch dieser war nicht der rauchgeschwängerten, stickigen Luft der Gassen geschuldet sondern dem kupferfarbenen Lauf der sich schmerzhaft gegen sein Brustbein presste. Das metallene Rohr war mit feinen Verzierungen ausgearbeitet, die an eine Pflanze erinnern die sich um den Lauf windet. Der Hahn war gespannt und nur der mechanische Arm würde über sein Überleben entscheiden.

Der Mann, der diesen Arm trug, starrte ihn mit seinem einzigen gesunden Auge ununterbrochen an. Die Zigarre in seinem Mund glühte in regelmäßigen Abständen wenn er einen weiteren Zug nahm.
"B-bitte ich mache die Regeln nicht, ich tue nur was man mir befohlen hat!", stammelte der Mann, der sich am falschen Ende des Revolvers befand.
"Ich interessiere mich nicht für die Regeln, der Deal war ausgehandelt", zischte er der Mann mit dem mechanischen Arm.

Als der Mann gerade etwas erwidern wollte, pfiff eine Kugel zwischen ihren Köpfen hindurch. Der Klang des Schusses hallte ohrenbetäubend durch die enge Gasse. "Sie haben meine Familie..bitte..ich..", murmelte der untersetzte Mann und presste sich fester an die Wand. Doch noch bevor er ausgesprochen hatte schoss der automatische Arm herum und noch bevor der Schütze seinen Blick auf das Ziel gewendet hatte, begann er bereits die Trommel seiner Waffe die Gasse hinunter zu entleeren. Die Gestalt die dort aufgetaucht war gab einen erstickten Laut von sich ehe sie zusammenbrach.

Der Mann, dessen Name Alden war, grunzte leise und steckte den qualmenden Revolver in das Holster. Als er sich abwandte, krachte die eiserne Faust in das Gesicht des Mannes an der Wand und ließ ihn bewusstlos zu Boden sinken. Dann setzte er einen Lauf an und eilte die Gasse hinunter. Kopfgeldjäger arbeiteten heutzutage selten alleine und sein Kollege würde vielleicht ein besserer Schütze sein.

Er nahm die Frau überhaupt nicht wahr, da er im Laufen dabei war einen neuen Satz Patronen in die Trommel seines Revolvers zu stecken. Erst als die Kollision unvermeidbar war, registrierte er überhaupt die Person die in die entgegengesetzte Richtung eilte und so prallten ihre Körper unsanft zusammen und Alden ging zu Boden. Einige der Patronen, die er noch in der Hand hielt, flogen in hohem Boden davon um dann unangenehm laut auf den gepflasterten Boden zu prasseln.

Alden holte einmal Luft und hielt sich die schmerzenden Rippen, setzte sich dann aber auf. Er überlegte einen Moment ob er auf sie anlegen sollte, doch wenn sie eine Kopfgeldjägerin wäre, dann wäre sie nicht so ungeschickt in ihn hineingerannt. Vermutlich also eine Zivilistin, oder zumindest eine Person für die er nun keine Aufmerksamkeit verschwenden würde.

"Verzeihen Sie mir werte Lady", sagte er in fast überschwänglicher Höflichkeit und reichte ihr die mechanische Hand um ihr aufzuhelfen. Die Zahnräder surrten gleichmäßig und das schmuckvoll eingravierte Logo der ATLUS Corporation schimmerte im schwachen Licht der Gaslaternen. Den Revolver ließ er so unauffällig wie möglich unter seinem Mantel verschwinden. Je schneller er die Frau loswerden würde, desto besser für sie beide. Aber er war auch kein Unhold.
"Ich war in Eile und sehr unachtsam, falls Sie ihre Kleidung reinigen müssen bitte lassen sie mich die Kosten tragen", fügte er dann hinzu und wartete dass sie seine Hand ergriff. Vielleicht wäre es klüger gewesen ihr seine 'organische' Hand zu reichen, aber er hatte sich so sehr an den künstlichen Arm gewöhnt, dass er meistens vergaß dass er andere Menschen irritieren könnte.

Ihre Reaktion machte ihn sofort skeptisch. Natürlich war eine gewisse Unsicherheit zu erwarten wenn einem ein Mann begegnete dessen halber Körper irgendwie zusammengeflickt worden war. Dennoch strahlte ihr Blick mehr als nur Neugier aus, es war eine wohl vertraute Vorsicht die ihm da entgegen blickte. Als wäre sie bereit ihn anzugreifen, sollte ihr seine Antwort nicht passen.

Und doch war sie nicht die erste Person die er belügen würde und natürlich würde er ihr nicht seinen wahren Namen verraten. Entweder sie würden sich einen gemeinsamen Feind teilen, oder sie arbeitete vielleicht sogar für denjenigen der ihn gerade ermorden lassen wollte. Und sein Name wäre ihr definitiv ein Begriff.

Stattdessen legte er ein verlegenes Lächeln auf "Oh bitte verzeiht, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Ich bin so in Eile dass ich meine Manieren völlig vergessen habe. Ich heiße Eduard McCansas, ich bin gerade dabei mein Luftschiff zu verpassen. Verzeiht bitte auch meine...ungewöhnliche Erscheinung. Ich habe einst als Soldat gedient doch der Dienst meinte es nicht gut mit mir", erklärte er schließlich mit ruhiger aber dringlicher Stimme um zu untermauern dass er es eilig hatte. "Wenn ihr mich bitte entschuldigen würdet? Es wäre eine schreckliche Blamage wenn das Schiff ohne mich ablegen würde".
Seine Hand wandere vorsorglich in Richtung seines Gürtels, er wusste zwar nicht ob er im Ernstfall schneller ziehen konnte als sie aber besser er wäre zumindest vorbereitet.

Als sie ihn plötzlich am Arm packte, begannen die mechanischen Teile sofort aggressiv zu surren und zu pfeifen, als würde sich die ganze Maschinerie die nun diesen Teil seines Körpers ersetzte sich gegen die Berührung sträuben. Auch die organischen Muskeln seines Körpers verkrampften sich sofort, allein weil sie verhinderte dass er nach seiner Waffe greifen konnte.

Sie blickte ihn an, machte jedoch keine Andeutungen dass sie eine Waffe greifen wollte. Somit kämpfte er gegen das Verlangen an sie anzugreifen, ein leises Zischen konnte er sich jedoch nicht verkneifen. Natürlich hatte er keinen Bedarf den öffentlichen Hafen anzusteuern, sein Luftschiff war fein säuberlich an der Stadtgrenze festgemacht wo die Behörden es nicht aufspüren konnten. Vorerst würde ihm wenig anderes übrig bleiben als ihr ein Stück zu folgen bis sich eine günstige Gelegenheit ergab sie zu beseitigen. Nun da sie sich definitiv offenbart hat keine Zivilistin zu sein war das auch nicht weiter tragisch. Nur sollte er sich erstmal von Pistolenfeuer fernhalten um nicht noch mehr Attentäter aus sich zu ziehen.

"Ohje ich verpasse mein Schiff ganz bestimmt", sagte er dann verzweifelt und seufzte "Ich bin ganz durcheinander.", er ließ den Kopf theatralisch hängen und blickte ihr dann nach. Das Bedürfnis sie hinzurichten war präsent aber er hielt es noch im Zaum. Irgendeine stille Gasse würde sich schon anbieten. Und so ging er ihr mit gesundem Abstand nach, die Hand fand sofort ihren Platz am Pistolengriff wieder und ruhte dort.

Alden folgte der Frau ohne einen Laut oder eine Reaktion von sich zu geben, wodurch ihre Schritte unnatürlich laut erklangen. Sein Blick fixierte die Frau jedoch, nur ab und an durch einen prüfenden Blick der Umgebung unterbrochen, doch bisher schien es keine weiteren Verfolger zu geben. Wenn Alden etwas in seinem Leben gelernt hatte, dann dass nur Geduld einem einen wahren Vorteil verschaffte. Eine voreilige Reaktion würde kurzfristig vielleicht helfen und dann doch nur Probleme bereiten. Er hätte sich sofort wehren können, vielleicht wäre ihm sogar die Flucht gelungen oder er hätte die Frau mit einem Schuss erwischt. Doch er würde sie Situation solange beobachten bis sich eine perfekte Lösung anbot.

Und die Geduld zahlte sich aus. Wie immer.

Kaum hatte die Frau eine Kurve eingeschlagen und war vollständig im Schatten der Gasse verschwunden, da vernahm sie das, von den Wänden wiederhallende, vertraute Knacken eines gespannten Hahns. Die Schusswaffe war direkt auf ihre Körpermitte gerichtet, selbst wenn sie schnell war wäre ein Treffer auf diese Distanz unausweichlich.
"Bitte verzeihen Sie mir, Mylady. Ich werde nun jedoch mein Schiff nehmen während Sie die Gasse zuende gehen und nach Links abbiegen", seine Stimme war rau aber sanft zugleich. Aus seinem künstlichen Unterarm drangen mehrere klackende Geräusche und ein permamentes Surren. "Und versuchen Sie bitte nicht die Waffe zu ziehen, mein Arm stammt nicht ohne Grund von dem weltweit größten Waffenmanufakteur. Ich werde einen Schuss abgeben noch bevor ihr Gehirn das Signal an Ihre Muskeln leiten konnte.", fügte er dann ruhig hinzu und verharrte schließlich in vollkommener Regungslosigkeit.

Sein starrer Blick zuckte kurz auf die Substanz welche nun seinen mechanischen Arm benetzte. Die Zahnräder gerieten ins Stocken als diese durch die zähle Flüssigkeit verklebten. Er lauschte ihren Worten und natürlich hätte er darauf spekulieren können dass sie ihn einfach anlog. Aber die Substanz war ihm nicht unbekannt und das zeichnete die Frau eindeutig als gebildete Alchemistin aus.

Dennoch senkte er die Waffe nicht und regte sich auch keinen weiteren Zentimeter. Alles was sie tun konnte, war zu hoffen dass er ihr einfach folgte. Sie konnte ihn nicht mehr töten, denn dann würde er abdrücken und sie beide zu Asche verwandeln. Sie musste sich darauf verlassen dass er aufgab und mitkam. Fliehen konnte er mit dem Arm nicht. Allerdings konnte er davon ausgehen, dass ihn ihr Auftraggeber lebendig verlangte, sonst hätte sie ihn schon früher getötet.

Diese neu gewonnene Zeit nutzte er um sie erstmal in Ruhe zu mustern. "Ihr scheint keine Angst vor dem Tod zu haben oder ihr verlasst euch sehr darauf dass mir viel an meinem Leben hängt", stellte er fest. Schließlich könnte er sie nun mit einem einfachen Klick ins Nirvana schicken. "Und offensichtlich müsst ihr mich lebendig abliefern, das heißt euer Auftraggeber ist ein alter Bekannter oder die Regierung. Im letzteren Falle wäre es klüger gewesen auf einen Teil der Prämie zu verzichten und mich tot auszuliefern. Wie ihr meinem Körper vielleicht anseht bin ich schon aus der ein oder anderen Situation entkommen.", sagte er dann und zuckte leicht mit den Schultern. "Vielleicht wollt ihr euch wenigstens vorstellen. Meine Mutter hat mich gelehrt nie mit Fremden mitzugehen"